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Bildung in Bolivien

Heute, am 24.1.2021 ist der Internationale Tag der Bildung (UN).

„Bis 2030 für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen sicherstellen“, so lautet das Nachhaltigkeitsziel Nummer 4 der Vereinten Nationen.

Doch ist das realistisch? Wie sieht es mit der Bildung in Bolivien aus? Von Chancengleichheit kann man definitiv noch nicht sprechen und vor dem Land liegt ein weiter Weg. Lest hier, wie das Bildungssystem in Bolivien aufgebaut ist und wie sich das Ganze mit der aktuellen Corona-Situation darstellt.

Bildungswege in Bolivien:   Gleiche Chancen für alle?

„Es wäre ideal ein Bildungssystem zu haben, dass allen die gleichen Chancen bietet und ökonomische Hindernisse nicht den Erfolg eines jeden Schülers oder Studenten verhindern.“ (Zitat einer bolivianischen Freiwilligen des BKHW)

Wie verlaufen die typischen schulischen und akademischen Karrieren in Bolivien? Welche Unterschiede gibt es? Was bleibt zu tun, um jedem Kind ein Recht auf Bildung und Ausbildung zu ermöglichen?

Laut Artikel 28 der Kinderrechtskonvention hat jedes Kind ein Recht auf Bildung und Ausbildung. In Bolivien gibt es eine Schulpflicht, die besagt, dass alle Kinder bis zum Bachillerato zur Schule gehen müssen. 

Das bolivianische Bildungssystem besteht im Moment aus drei Subsystemen: Reguläres System (Pflichtschule) / System für höhere bzw. berufliche Bildung / Alternativen System (Erwachsenbildung)

Diese Subsysteme unterscheiden sich in der Realität zusätzlich zwischen privaten und öffentlichen Bildungseinrichtungen, sodass es sowohl die Möglichkeit gibt, die gesamte Schullaufbahn an privaten oder öffentlichen Schulen und Universitäten als theoretisch auch gemischt zu absolvieren.

Die größten Unterschiede zwischen den beiden prototypischen Bildungswegen sind erstens die Zugangshürden sowie zweitens die beruflichen Chancen, die mit ihnen verbunden sind.

Der Besuch der öffentlichen Schulen, welche ungefähr 95% aller Schulen ausmachen, ist kostenlos. Sie alle haben aber einen großen Nachteil: Die Klassen sind oft überfüllt, die Lehrkräfte schlecht ausgebildet und nicht gut bezahlt.  Die Vermittlung von Bildung in Bolivien beruht in weiten Teilen noch sehr auf dem Auswendiglernen und weniger dem Erwerb von Kompetenzen. Zudem ist sie gerade an den öffentlichen Schulen noch sehr autoritär geprägt.

Für die privaten Schulen (ca. 5% aller Schulen) ist fast immer das Bildungsniveau der Eltern, der Wohnort (die Privatschulen befinden sich zu großem Teil in den Städten) und die finanziellen Mittel der Familie ausschlaggebend. Dieses Schulgeld reicht von 30€ bis zu 600€ pro Monat und Kind (es gibt private Schulen, die keinen Namen haben und Eliteschulen wie die Deutsche, Französische und Amerikanische Schule sowie religiöse Schulen wie La Salle). Neben den monatlichen Kosten gibt es weitere Kostenträger wie Uniform, Schulbücher sowie Austausche, die eine hohe finanzielle Belastbarkeit der Eltern voraussetzen. Dies macht es für einen Großteil der bolivianischen Familien nicht möglich, ihre Kinder auf eine solche Privatschule zu schicken.

Die Privatschulen sind i.d.R. besser ausgestattet als die öffentlichen Schulen, die Lehrer besser ausgebildet. Der größte Vorteil ist der Ruf einer Privatschule. Die Schüler haben die Möglichkeit, sich für die Zukunft zu vernetzen und Kontakte zu knüpfen – schließlich bilden die Mitschüler, die ebenfalls aus den Oberschichten kommen, auch das soziale Umfeld der Schüler.

Eine Ausbildung genießt keinen hohen Stellenwert

Im Anschluss an den Schulabschluss studieren alle, die es sich irgendwie leisten können, was wiederum einen hohen Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt erzeugt. Abschlusszeugnisse und Titel sowie entsprechende Kontakte sind dann Gold wert. Um ihr Studium zu finanzieren, müssen die Studenten der öffentlichen Universitäten viel und hart arbeiten, an den privaten Unis haben die Familien meist genug Geld, sodass ihre Kinder nebenbei nicht arbeiten müssen.

Ausbildungsberufe genießen, anders als in Deutschland, keinen hohen Stellenwert und werden schlecht entlohnt.

So wünscht sich eine junge Bolivianerin, mit der wir im Zuge der Recherche geredet haben, „das ganze Bildungssystem zu verändern,“ weil es aus ihrer Sicht veraltet ist „und die Bildung des 20. Jahrhunderts Bolivien mit niemandem wettbewerbsfähig macht.

Was sind Auswege?

Um Bildung und Ausbildung mit gleichen Chancen zu gewährleisten, bleiben nach dieser Analyse im Grunde zwei Auswege. Entweder gewährleistet der Staat eine qualitativ hochwertige kostenlose Bildung für alle oder er sorgt durch Wirtschaftswachstum und sozialpolitischen Maßnahmen zu einer signifikanten Erhöhung der Einkommen, sodass sich immer mehr Familien eine private Ausbildung leisten können. Welchen Weg die bolivianische Gesellschaft hier gehen möchte, wird sicherlich mit über die Zukunft des Landes in einer Welt entscheiden, die sich immer mehr zu einer Wissens- und Informationsgesellschaft entwickelt.

Mit außerschulischen Angebote Kinder fördern

Wir als BKHW sehen unsere Aufgabe zusammen mit unseren Partnerorganisationen darin, Familien und Kindern langfristig einen Schulbesuch zu ermöglichen, mit außerschulischen Hilfsangeboten vulnerable Kinder zu fördern, Jugendliche in die Ausbildung zu begleiten und jungen Bolivianern, auch aus einkommensschwachen Familien, ein internationales Freiwilligenjahr in Deutschland zu bieten.

Betreuung bei den Hausaufgaben und Förderung von Kindern mit Problemen in der Schule ist eine Hauptaufgabe unserer Projekte

CORONA: Eine Herausforderung für Schulen in Deutschland  –  und in Bolivien?

Die ehemalige Übergangsregierung Boliviens ist wohl die einzige der Welt, die den Lockdown zum Anlass genommen hat, das Schuljahr unvermittelt und überraschend abzubrechen. Die Folge waren über sechs Monate in denen es keinen offiziellen Unterricht gab, die Privatschulen in Geldnot gerieten sowie alle Schüler des Landes das Schuljahr leistungslos bestanden. Die Abschlussklassen wurden praktisch ohne Leistungsnachweis mit einem Abschluss ausgestattet. Die qualitativ prekäre und didaktisch antiquierte Bildung befindet sich seitdem in einer tiefen Misere und allen Kindern wurde letztlich ein komplettes Schuljahr genommen, dass nicht nachgeholt wird. Trotz vieler Initiativen, engagierten Lehrern sowie pragmatischer Privatschulen ist das Verlorene kaum aufzuholen.

Zweite Corona-Welle stellt Schulen erneut vor eine Herausforderung

Die zweite und vermutlich dritte Pandemiewelle werden auch das neue Schuljahr in einen digitalen Fernunterricht zwingen. Dies gilt auch für die Universitäten, die aufgrund der eingebrochenen staatlichen Zuwendungen und der dramatisch sinkenden Zahl an sich einschreibenden Studenten, großen finanziellen Problemen gegenüberstehen. Hauptgrund für die sinkende Studentenzahl sind einerseits die Geldnot vieler junger Menschen und ihrer Familien und anderseits die Ausreise ausländischer Studenten z. B. aus Brasilien. Eine Rückkehr zum „normalen“ Unterricht ist wohl erst nach der Impfung weiter Teile der Bevölkerung wahrscheinlich. Hoffnungsvoll stimmen der Innovationszwang und die privaten wie öffentlichen Investitionen in digitale Infrastruktur. Dass diese Verbesserungen allen Schüler*innen zu Teil werden, wird eine der zentralen Herausforderungen der neuen Regierung sein.

Autor: Fabian Montenegro Nägele

Ana LämmleBildung in Bolivien

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